Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Jahresfest-Predigten

Predigt zum 170. Jahresfest am 13. Oktober 2007

Pfarrer Johannes Welschen, Niesky

Philipper 4, 4 – 7


Liebe Schwestern und Brüder des Diakonissenhauses Bethlehem, liebe Festgemeinde!

Zunächst möchte ich Ihnen zu ihrem Festtag die Glück– und Segenswünsche aus der Diakonissenanstalt Emmaus in Niesky überbringen. In Emmaus Niesky denken heute manche Schwestern und Mitarbeitende hierher, in das Mutterhaus auf der anderen Seite Deutschlands. Von Niesky nahe der polnischen Grenze gehen die Gedanken nach Karlsruhe unweit der französischen Grenze. Gott stellt unsere Füße wahrhaft auf weiten Raum – wie wir im Kaiserswerther Verband immer wieder sagen. Und dass wir heute ohne größere Probleme von Niesky nach Karlsruhe reisen können ist ein Grund zu unendlicher Dankbarkeit.
Von Niesky an der polnischen Grenze nach Karlsruhe – unweit der französischen Grenze – so denken wir heute an Sie, freuen uns mit Ihnen über diesen besonderen Tag des 170. Jahresfestes und wünschen Ihnen Gottes Segen für die Jahre, die kommen.
Näher aber als die geografische Beschreibung – von Niesky nach Karlsruhe – liegt mir aber eine andere: von Emmaus nach Bethlehem.

Die beiden Namen, die unsere Häuser tragen, sind ja nicht irgendwelche Ortsnamen. Zwar haben sie auch eine geografische Bedeutung – im Heiligen Land. Aber für uns, wie für unsere Mütter und Väter, sind es vor allem geistliche Begriffe. Sie sind Symbole unseres gemeinsamen Glaubens.
Zwischen Bethlehem und Emmaus liegt das ganze Leben Jesu mit seiner Botschaft, seiner Zuwendung zu den Menschen, seinem versöhnenden Tod am Kreuz und endlich seiner Auferstehung und seiner bleibenden Gegenwart unter uns.
Bethlehem und Emmaus, das sind für mich zwei Namen, die Gottes Nähe ausdrücken, Gottes Nahesein bei uns und für uns.
Bethlehem – der Ort der Menschwerdung Gottes, der Ort seines Versprechens sich nie mehr von den Menschen trennen zu lassen.
Emmaus – ein Ort der Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern, der Ort der Bitte 'Herr, bleibe bei uns' und der Erfüllung dieser Bitte bis heute.
Bethlehem und Emmaus – Orte der Nähe Gottes – so wie unsere Mutterhäuser Orte der spürbaren Nähe Gottes sein wollen.
Die Nähe Gottes steht auch im Zentrum des Bibelwortes, das dieser
Predigt zugrunde liegen soll.
Nachdem ich S. Wera zugesagt hatte, heute die Predigt zum 170. Jahresfest bei Ihnen zu halten, bin ich in das Archiv der Brüdergemeine Kleinwelka gestiegen, wo – wie in allen unseren Gemeinden – die Jahrgänge der Herrnhuter Losungen seit 1731 aufbewahrt sind, und habe nachgeschaut unter welchen Tagestexten eigentlich dieses Mutterhaus hier in Karlsruhe gegründet worden ist. Und dabei bin ich auf den Lehrtext des 14. August 1837 gestoßen:
Der Herr ist nahe. Sorget euch um nichts.
Dieser Lehrtext – eine gewagte Verkürzung des bekannten Abschnittes aus dem Philipperbrief – hat mich dazu herausgefordert über die Nähe Gottes und das Sorgen nachzudenken.
Ich will dies tun im Zusammenhang des ganzen Abschnittes.
Lassen Sie uns darum zunächst die Worte aus dem 4. Kapitel des Philipperbriefes hören:
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
5 Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden!
7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Freuet euch! Der Herr ist nahe!
Das ist ein guter Anfang für den heutigen Tag. Es ist dieses 170. Jahresfest ein Tag der Freude – ein Tag der Freude, weil Gott nahe ist.
Er ist uns nahe, wie er den Müttern und Vätern nahe war, die dieses Werk Bethlehem einmal ins Leben gerufen haben. Aus seiner Nähe ist dieses Werk entstanden. Durch seine Nähe sind Menschen dazu berufen worden, ihre Güte den Menschen kund zu machen. Durch seine Nähe hat dieses Werk Bestand bis heute.
Freuet euch! Lasst eure Güte kund sein allen Menschen. Der Herr ist nahe – damals und heute!
Diese Nähe gilt es nun in zweifacher Richtung zu entfalten:
Einmal bedeutet der Satz: 'Der Herr ist nahe' die Ankündigung seiner Wiederkunft.
Christus kommt uns aus seiner Zukunft entgegen. Alles was wir tun, tun wir im Blick darauf, dass er sein Reich der Liebe und der Gerechtigkeit aufrichten wird. Der Apostel Paulus rechnete mit dem Kommen dieses Reiches jeden Tag. Und wenn wir nach 2000 Jahren auch etwas vorsichtiger geworden sind über Tag und Stunde zu philosophieren, so kann unser Tun nur bestehen, wenn es im Blick auf diese Zukunft Gottes, auf sein Reich der Liebe und der Gerechtigkeit, geschieht.
Christus kommt uns aus seiner Zukunft entgegen, der Herr ist nahe.
Dieser Satz ist nun allerdings nicht ganz so harmlos, wie er auf den ersten Blick klingt.
Es geht auch heute, beim 170. Jahresfest des Diakonissenhauses Bethlehem letztlich nicht um dieses Werk, sondern um Gottes Reich der Liebe und der Gerechtigkeit.
Gottes Reich der Liebe und der Gerechtigkeit ist Grund, Horizont und Grenze unseres Tuns auch hier in Bethlehem.
Sein Reich ist nahe herbei gekommen. Ist mitten unter uns schon gegenwärtig. Wir dürfen – mit unserer kleinen Kraft, mit unserer schwachen Güte, mit unserem Glauben und unserer Liebe – Zeichen dieses Reiches aufrichten in dieser Welt.
Sein Reich ist der Horizont unseres Wirkens. Nur insofern das, was wir tun auf sein viel größeres Reich hinweist, ist es Diakonie. Nur da, wo wir uns immer wieder ausrichten an dem was Jesus über das Reich Gottes sagt, hat unser Tun Bestand.
Sein Reich der Liebe und der Gerechtigkeit ist aber auch Grenze unseres Tuns, weil es letztlich nicht um unser Handeln, unsere Traditionen, Arbeitszweige und Gemeinschaften geht, sondern eben um sein Reich. Und dieses Reich wird noch einmal all unser Tun in Frage stellen, wird dann doch noch einmal all unser Denken und Handeln übersteigen.

Der Herr ist nahe! Er kommt uns aus seiner Zukunft entgegen. Er ist Grund, Horizont und Grenze unseres Tuns.
Der Herr ist nahe! Das bedeutet aber auch: Er ist heute nahe. Er will uns heute begegnen. In allen Begegnungen, die Menschen miteinander haben, will Christus unter uns sein. In jedem Menschen, der sich uns anvertraut, der sich uns in der Weg stellt, den er uns vor die Füße legt, will Christus selbst zu uns sprechen.
In den Kindern – nicht nur von Bethlehem; in den Verzweifelten – nicht nur von Emmaus; in allen Menschen ist er uns nahe.
Er fordert uns heraus und korrigiert uns.
Er stärkt und tröstet uns.
Ohne seine Nähe, wäre es nicht zur Gründung von Diakonissenhäusern gekommen, die – wie Wilhelm Löhe es sagte – Christus dienen wollen in seinen Armen und Elenden.
Ohne seine Nähe hätten wir aber auch nicht bestehen können. Als Werk des Glaubens und der Liebe sind wir immer darauf angewiesen, dass er als unser Herr in unserer Mitte ist uns herausfordert und korrigiert, stärkt und tröstet.
Darum sorgt euch um nichts!
Wenn Christus nahe ist, dann gibt es keinen Grund sich zu sorgen.
Denn er setzt die Ziele und er gibt auch die Kraft dazu.
Das heißt ja nicht, dass wir uns nicht engagieren müssten. Ohne das Engagement vieler gäbe es Bethlehem nicht und auch nicht die anderen Mutterhäuser. Aber sorgen müssen wir uns nicht.
Gott setzt die Ziele. Er schenkt die Kraft. Wir können uns nur auf seine Wege einlassen, immer neu danach suchen, ihn um Orientierung und Wegweisung bitten.
Aber: Seine Wege sind nicht unsere Wege. Vielleicht – oder besser:
gewiss – führt er uns auf Wege, die wir uns niemals selbst ausgesucht hätten.
Manche Wege erscheinen uns Umwege oder Sackgassen.
Manche Tradition, die uns lieb und vertraut erscheint, verschwindet – und doch:
Er ist nahe. Er setzt Ziele. Er schenkt Kraft.
Denn das Ziel ist nicht unser Mutterhaus, nicht unsere Tradition, nicht unsere Kirche – sondern sein Reich.
Darum sorget nicht, sondern bleibt mit ihm im fortdauernden Gespräch, mit Bitten und Flehen und unter Danksagung für so manch unerwarteten Weg.
Nur so könnt ihr eurer Bestimmung treu bleiben: Zeichen seines Reiches zu sein und Zeichen seiner Nähe in dieser Welt.
Darum: Freuet euch in dem Herrn alle Wege und abermals sage ich freuet euch: der Herr ist nahe! ... Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

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